9. Januar 2010

Tess Gerritsen - Leichenraub

Klappentext
Julia Hamill ist schockiert: Stammen doch die menschlichen Gebeine, die sie in ihrem Garten gfunden hat, von einer jungen Frau. Schnell entdeckt die Pathologin Maura Isles, dass sie ermordet wurde - vor ungefähr zweihundert Jahren. Wer ist die junge Tote, wer hat die so heimlich verscharrt? Julias Neugier führt sie in die Vergangenheit Bostons zur medizinischen Fakultät der Universität. Und zu dem Medizinstudenten Norris Marsahll, der hofft, einen gefährlichen Frauenmörder zu stellen - und dabei seine einzige Zeugin in höchste Gefahr bringt ...


Inhalt
Julia hat ihre Scheidung hinter sich und nun eigentlich nur eines im Sinn: Den Garten ihres gerade erworbenen, jedoch ziemlich in die Jahre gekommenen Hauses auf Vordermann bringen. Doch beim Umgraben macht sie plötzlich eine erschreckende Entdeckung; ein menschliches Skelett.
Es dauert nicht lange, da rückt die Gerichtsmedizinerin Maura Isles an, doch schon bald ist klar, dass es zwar um Mord geht, dieser aber vor fast 200 Jahren geschehen ist. Damit fallen die Gebeine nicht in ihr Aufgabengebiet. Der Fall geht an eine forensische Anthropologin.

Julia lässt das Frauenskelett jedoch keine Ruhe. Sie versucht Nachforschungen anzustellen, stößt dabei aber recht schnell auf Mauern.
Von ganz unerwarteter Seite erhält sie plötzlich Hilfe, vom Cousin der verstorbenen ehemaligen Hausbesitzerin. Henry Page ist schon 89 und behauptet, im Besitz seiner Cousine Briefe gefunden zu haben, die möglicherweise Hinweise auf die unbekannten Gebeine in Julias Garten liefern könnten.
Julia beschließt, Henry zu besuchen und zusammen machen sie sich daran, nach weiteren Briefen zu suchen. Und stoßen dabei auf eine unglaubliche Geschichte, aufgezeichnet von einem der berühmtesten Söhne Bostons: dem Arzt Oliver Wendell Holmes.

Im Jahr 1830 bangt Rose Connolly, eine junge irische Einwanderin, um das Leben ihrer schwangeren Schwester, die schon seit Tagen in den Wehen liegt. Die Schwestern und Ärzte im Bostoner Krankenhaus kümmern sich größtenteils hingebungsvoll um die Patientinnen auf der Station, doch mit Entsetzten muss Rose beobachten wie eine Wöchnerin nach der anderem am berüchtigten Kindsbettfieber dahinscheidet.
Rose' Schwester ergeht es nicht andern, und Rose schwört, sich um ihre neugeborene Nichte zu kümmern.

Doch als plötzlich eine Krankenschwester auf bestialische Weise ermordet wird und Rose nur knapp dem Mörder, der eine weiße Totenkopfmaske trägt, entkommt, gestaltet sich das Vorhaben, ihre Nichte zu schützen, immer schwieriger. Mit einem Mal steht Rose im Mittelpunkt der Ermittlungen. Norris Marshall, der junge Medizinstudent, der das völlig verängstige Mädchen nach ihrer Flucht vor dem Mörder fand, scheint der einzige zu sein, der ihr nicht mit Vorurteilen ob ihrer irischen Abstammung gegenüber tritt.

Als aber schließlich Norris Marshall über eine weitere ermordete Krankenschwester gebeugt aufgefunden wird und selbst zu einem Verdächtigen wird, weiß sich Rose nicht mehr zu helfen. Sie weiß nur eines mit Sicherheit: Der "West End Reaper", wie der Mörder von der Presse genannt wird, ist hinter ihr selbst und ganz besonders hinter ihrer Nichte her. Das Wissen um den Grund dafür hat Rose' verstorbene Schwester mit ins Grab genommen ...


Meinung
Was für ein Buch!!
Tess Gerritsen legt mit "Leichenraub" ein Buch vor, das so ganz anders ist als ihre bisherigen. Zwei Dinge, über die man sich besser im Klaren ist, bevor man das Buch überhaut in die Hand nimmt (um einer eventuellen Enttäuschung vorzubeugen):
  1. Maura Isles wird zwar im Klappentext erwähnt, kommt aber nur ganz kurz am Anfang des Buches vor. "Leichenraub" gehört nicht zur Maura Isles/Jane Rizzoli - Reihe!
  2. Es handelt sich hier, zumindest größtenteils, um einen historischen Kriminalroman.
Hat man diese beiden Dinge akzeptiert, wird man von "Leichenraub" kaum enttäuscht werden können. Ich habe bisher noch keinen historischen Krimi gelesen, aber wenn sie alle so sind wie Tess Gerritsens "Leichenraub", hab ich ein neues Genre für mich entdeckt.

Wie steht doch so schön im erweiterten Klappentext: "... mit Hilfe [...] vieler alter Dokumente rekonstruiert Julia die Vergangenheit: eine atemberaubende Geschichte von Mord, Verrat, Habgier und einer verzweifelte Liebe, für die es keine Zukunft gibt."
Besser kann man es gar nicht zusammenfassen. Die Charaktere und der Plot selbst - Vergangenheit und Gegenwart - sind ausgeklügelt und wunderbar inneinanderverwoben.
Bis zum Schluss war ich mir nicht sicher, was denn jetzt wirklich passiert ist. Ich habe mitgerätselt und kombiniert - und am Schluss lag ich doch daneben. Obwohl es von Grund auf eine komplett logische und nachvollziehbare Lösung gab. So wie von Tess Gerritsen gewohnt, nur eben in der Vergangenheit statt in der Gegenwart.

Zudem fand ich persönlich die medizinischen Fakten, die von der Autorin so federleicht in den Textfluss eingebaut wurden, sehr interessant. Zu der Zeit, in der Rose Connollys Geschichte spielt, war Oliver Wendell Holmes Student an der medizinischen Fakultät in Boston. Im Buch kann der Leser hautnah mitverfolgen wie er eine seiner wichtigsten Erkenntnisse für die heutige Medizin erlangt: Hygiene ist für einen Arzt und den Patienten von allergrößter Wichtigkeit! Vor allem dann wenn der Arzt sich zwischen Sektionssahl und Wöchnerinnenstation hin und her bewegt.
(Die gleiche Ansicht vertrat übrigens auch Ignaz Semmelweis in Wien. Sowohl er als auch Oliver Wendell Holmes hatten es auf ihrem jeweiligen Kontinet sehr schwer, Gehör zu finden. Beide wurden für ihre Aussagen verlacht, Semmelweis landete deshalb schlussendlich sogar auf der Psychiatercouch.)

Eine einzige Frage stellt sich mir nun noch: Wann kommt der nächste histrosche Thriller aus Ihrer Feder, Frau Gerritsen? Ich warte. :)


Bewertung
Absolute Empfehlung wenn man Krimi/Thriller-Spannung und historische Romane mag! Meiner Meinung nach auch gut als Einstieg in das historische Genre geeignet.

1 Kommentare:

Dirk Thörner hat gesagt…

Ich finde es etwas komisch, aber es gibt nicht viele Rezensionen (in Blogs) zu Tess Gerritsen. Für meine Rubrik Bloggeflüster suche ich aber welche. Also, auch wenn diese Rezension schon ein wenig älter ist, habe ich sie zitiert (mit Backlink). Ich hoffe das ist OK.