28. August 2010

David Lozano Garbala - Totenreise

erschienen Juni 2010 bei Loewe (Spanische Originalausgabe: La Puerta Oscura - El Viajero, 2008)

Gebunden mit Schutzumschlag, 607 Seiten
ISBN 978-3-7855-6863-7
€ (D) 19,95 | € (A) 20,60


Klappentext
Pass auf,
wenn du die Dunkle Pforte durchschreitest!
Du begibst dich direkt in die HÖLLE.
Du hast nur sieben Tage Zeit
in der Ewigkeit.
Dann schließt sich die Pforte wieder.
Für immer.


Inhalt
Halloween in Paris. Erst vor wenigen Tagen hat Pascal Michelle seine wahren Gefühle gestanden. Da sie mit einer Antwort auf sich warten lässt, überredet Dominique seinen Freund zum Besuch bei der Wahrsagerin Daphne, doch sie kann ihm nicht sagen, wie Michelle empfindet. Stattdessen prophezeit sie Pascal eine weite Reise zu einem Ort jenseits dieser Welt - und Michelle wird eine wichtige Rolle dabei spielen.

Relativ unmotiviert macht sich Pascal zusammen mit Dominique und Michelle auf zu einer Halloween-Party. Verkleidung ist Pflicht - und so wird der völlig unkostümierte Pascal dazu gebracht, sich aus einer Truhe auf dem Dachboden des Gastgebers Jules eine Verkleidung zu suchen. Doch plötzlich schließt sich der Truhendeckel über Pascal und nur wenige Minuten später befindet er sich im Totenreich.

Denn alle 100 Jahre, in der Nacht von Halloween auf Allerheiligen, öffnet sich die Pforte ins Totenreich und ein einziger Lebender wird zum Wanderer zwischen den Welten. Sieben Tage lang kann sich Pascal frei zwischen seiner und der Welt der Toten bewegen.
Doch durch seine Reise hat er den Durchgang für ein Wesen aus der Hölle geöffnet - Pascal hat einen Vampir befreit, der nur ein Ziel hat: Die Pforte für immer zu verschließen.


Meinung
Ich stehe Prologen sehr zwiespältig gegenüber. Viel zu oft sind sie elendslang und verraten doch überhaupt gar nichts Relevantes. Meistens denke ich mir dann: Hättest du den Prolog besser zuletzt gelesen, dann ergäbe es zumindest einen Sinn.
In "Totenreise" wählt David Lozano Garbala allerdings eine Form des Prologs, die mich mit einer sehr positiven Einstellung zum Buch zurückgelassen hat. Es handelt sich dabei nämlich um eine nicht einmal vier Seiten lange Szene, die mitten aus der Handlung herausgerissen ist, also eigentlich erst viel später im Buch an der Reihe ist. Man weiß anschließend sofort, was man sich von "Totenreise" erwarten kann, nämlich eine gruselig angehauchte, spannende Lektüre

Leider hat die Handlung nach dem gut gelungenen Prolog aber etwas an Höhe verloren. Es dauert eigentlich recht lange bis Pascal sich wirklich auf die Reise durch das Totenreich macht. Zuvor muss sich der 15-Jährige erst mit seiner neuen Situation auseinandersetzten und vor allem damit, dass er durch seine erste Reise einen Vampir befreit hat.
Dieser Vampir lässt nicht lange mit sich fackeln und tötet noch in der Halloween-Nacht drei Menschen auf bestialische Weise. Durch diesen Twist in der Handlung werden die Kommissarin Marguerite Betancourt und ihr Kollege, der Gerichtsmediziner Marcel Laville, auf den Plan gerufen - und damit entsteht neben der Geschichte rund um Pascal und seine Freunde ein neuer Handlungsstrang, der mir äußerst gut gefallen hat.

Die Kommissarin und der Gerichtsmediziner beginnen augenblicklich mit ihren Ermittlungen und stoßen dabei auf immer mehr Hinweise, die übernatürliches Vorgehen in Paris nahelegen. Obwohl es hier um einen Vampir geht, habe ich an den Passagen über die Ermittlungen mit beiden Augen geklebt und angespannt verfolgt, wie die beiden vorgehen. Denn wen würde nicht ein Fall beunruhigen, in dem ein seit 60 Jahren toter Verbrecher der Täter ist - zumindest legen das die Fingerabdrücke am Tatort nahe.

Nur wenig später verschwindet Pascals und Dominiqus Freundin Michelle und sie erfahren, dass der Vampir sie durch ein satanisches Ritual ins Totenreich gebracht hat, wo er sie in die Hölle bringen lässt. Pascal macht sich also endlich auf den Weg, tritt seine vom Buchtitel prophezeite Reise an.
Gerade das Reich der Toten hat mir überaus gut gefallen. Der Autor verwendet zur Konstruktion seiner Unterwelt mehrere bekannte Geschichte, Sagen und Theorien. So kombiniert er beispielsweise die griechische Mythologie (Fährmann Charon, Fluss Styx, dreiköpfiger Hund Kerberos) mit Dantes Göttlicher Komödie (10 Kreise der Hölle).

Besonders gut gefallen hat mir der Kronosfelsen, der den Weg durch die Abgründe des menschlichen Lebens darstellt. Pascal muss mit seiner Begleiterin, der umherwandelnden Seele Beatrice, die Räume des Kronosfelsens hinter sich bringen, von denen jeder eine andere Katastrophe des Leides in der menschlichen Geschichte darstellt.
Ich bin mir ehrlich nicht sicher, ob dieser Kronosfelsen eine Erfindung des Autors ist, oder ob er in irgendeiner Form bereits in der Literatur besteht. Bei meinen Recherchen jedenfalls bin ich nicht fündig geworden.

Die Charaktere des Buches sind durch und durch sympathisch geraten, wenn auch relativ unausgereift. Manchmal fiel es mir schwer, bestimmte Handlungen und Gedankensprünge nachzuvollziehen. Gestört haben mich darüber hinaus die teilweise recht holprigen Dialoge, die mehr als einmal sehr konstruiert wirken, denen einfach die Natürlichkeit fehlt.
Positiv am Schreibstil des Autors sind mir jedoch die häufigen Perspektivenwechsel aufgefallen. Sie lassen die Geschichte nur so an einem vorbeirauschen, trotzdem verliert man nie den Überblick über das Geschehen an den verschiedenen Orten.

Noch ein Wort zu Cover und Gestaltung des Buches, denn damit hat man sich - an der spanischen Originalausgabe orientiert - sehr viel Mühe gegeben.
Das Cover allein zieht die Blicke ja schon an. Schlägt man das Buch dann auf, stößt man schon auf den beiden Cover-Innenseiten auf zwei Schwarz-Weiß-Bilder von Paris, die sehr düster wirken und damit perfekt die Stimmung des Buches einfangen. Zusätzlich ziert jeden Kapitelanfang eines der Skelette, die auf dem Cover zu sehen sind.


"Totenreise" wartet mit originellen Ideen auf, die vom Autor auf sehr kreative Weise verknüpft wurden. Das Buch lebt vor allem durch die spannende Handlung und eine schöne Portion Grusel und Mystik.
Und die Aussicht auf einen zweiten Teil - dass es den gibt, legt zumindest das Ende des Buches und die Tatsache, dass es noch einige unbeantwortete Fragen gibt, nahe.



Bewertung
An den Charakteren ließe sich noch feilen und auch die Sprache wirkt teilweise etwas unausgereift. Ansonsten ist "Totenreise" ein tolles Jugendbuch mit Grusel-Spannung von der ersten bis zur letzten (sechshundertsiebten) Seite.






Für das Rezensionsexemplar bedanke ich mich ganz herzlich beim Loewe-Verlag!




Informationen zur Reihe:
Der erste Teil von "Puerta Oscura" ist in Spanien 2008 unter dem Titel "El Viajero" (zu deutsch: der Reisende) erschienen. Bereits 2009 folgte der zweite Teil "El Mal" (zu deutsch: das Böse) und noch im selben Jahr ist der dritte Teil "Requiem" erschienen.
Ob's das war oder noch ein vierter Teil kommt, konnte ich leider noch nicht in Erfahrung bringen.

Falls jemand Spanisch kann, gibt's auf der spanischsprachigen Website zu den Büchern mehr Informationen.

6 Kommentare:

animasoul hat gesagt…

Ach, davor hab ich heute auch schon wieder einmal gestanden und es nicht gekauft. Aber auf meiner Wunschliste steht es auf jeden Fall schon. Danke für den Einblick in das Buch, konnte mir sonst immer nicht so recht vorstellen, worum es dabei geht. =)

StefanieEmmy hat gesagt…

Da es sich um ein 600-Seiten-Buch handelt, ist es immer schwer einzuschätzen, wie viel der Klappentext wirklich preis gibt. In diesem Fall werden zwei Handlungsstränge außen vor gelassen. Von dem her bin ich froh, dir einen Einblick in das Buch gegeben zu haben :)

Anonym hat gesagt…

Ich fand den Klappentext eigentlich gar nicht so toll, ständig dachte ich mir: Wann geht es denn jetzt endlich mal loooohooooos!

Shiku hat gesagt…

Ich fand das Buch nicht so wirklich überzeugend; nicht direkt langweilig, aber auch nicht unbedingt spannend. Dafür ist die Aufmachung unglaublich schick. +.+

StefanieEmmy hat gesagt…

Doch, spannend fand ich es auf jeden Fall! Das einzige was ich nicht nachvollziehen kann, ist, dass es in Spanien angeblich so ein durchschlagender Erfolg gewesen sein soll ... dafür ist meiner Meinung nach die sprachliche Komponente zu schwach.

Vielleicht seh ich das aber auch zu eng - das Buch ist wahrscheinlich für ein jüngeres Publikum gedacht, langsam wachs ich aus der primären Zielgruppe eben doch ein bisschen raus ;D

Shiku hat gesagt…

Mir persönlich fehlte da ein bisschen ... "Pepp". xD
Aber wer weiß, wie das mit der Übersetzung ist ... womöglich ist es auf Spanisch viel besser geschrieben. Leider hab ich keinen Plan von der Sprache, aber eine Überprüfung wär es wert. xD